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Wien

Deutsch, English

4 Jahre, 5 Monate her
MERKBLATT FÜR ZWANGSVERSTEIGERUNGEN 
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Im Folgenden wird hier versucht, die häufigsten Fragen im Rahmen der Zwangsversteigerung in Wien zu klären.

ALLGEMEINES

Wenn der Eigentümer einer Liegenschaft (Grundstück, Haus, Wohnung udgl) seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommt, können seine Gläubiger in letzter Konsequenz den zwangsweisen Verkauf seiner Liegenschaft (Zwangsversteigerung) begehren. Im Verfahren trägt der Eigentümer die Bezeichnung Verpflichteter. Das Bezirks­gericht bereitet die Zwangsversteigerung vor und leitet den Versteigerungstermin. Das Verfahren ist durchaus mit einem Verkauf einer Liegenschaft zu vergleichen, wobei die fehlende Zustimmung des Eigentümers durch den vom Gericht erteilten Zuschlag ersetzt wird. Der Käufer heißt im Versteigerungsverfahren Ersteher.

GEGENSTAND DER VERSTEIGERUNG

Zur Versteigerung gelangen Grundstücke, Wohnungen, Häuser, Betriebsgebäude udgl. Zum genauen Gegenstand wird auf das Edikt und das Schätzgutachten samt Beschreibung verwiesen. Für das Flächenausmaß bzw die Nutzfläche wird vom Gericht keine Haftung übernommen. Ob auch Zubehör mitversteigert wird, ist ebenfalls dem Edikt zu entnehmen. Das vollständige im Akt erliegende Sachverständigengutachten enthält eine ausführliche Beschreibung der Liegenschaft, Fotos und Pläne.

BESICHTIGUNGSTERMIN

Ein Interessent hat die Möglichkeit, vor der Versteigerung die Liegenschaft (Wohnung, Haus etc) zu besichtigen. Die verpflichtete Partei und allfällige Mieter haben die Besichtigung grundsätzlich zu dulden. Zum Zweck der Termin­koordination kann ein Besichtigungstermin von Amts wegen festgesetzt werden; bei diesem Termin ist weder ein Gerichtsvollzieher noch ein Schlosser anwesend (außer es wird anderes kundgemacht). Wenn Besichtigungstermine erfolglos bleiben, kann bei Gericht ein Antrag auf Durchführung eines Besichtigungstermins unter Beiziehung eines Schlossers gestellt werden. Der Interessent oder Ersteher muss die Kosten der Besichtigung nicht tragen.

TEILNAHME AN DER VERSTEIGERUNG

Die Liegenschaft darf jedermann mit Ausnahme des Verpflichteten oder seines Vertreters erwerben. Es empfiehlt sich, bei der Versteigerung persönlich anwesend zu sein. Sollten sich ein Interessent aber vertreten lassen, ist es nötig, dass der Vertreter eine öffentlich beglaubigten Spezialvollmacht vorweist. Eine Vollmachtsurkunde kann bei einem Notar oder Bezirksgericht gebührenpflichtig beglaubigt werden. Ein Vertreter einer juristischen Person wie GmbH, OHG etc hat einen aktuellen Firmenbuchauszug vorzuweisen. Es ist auch möglich, dass mehrere Personen eine Liegenschaft gemeinsam ersteigern (Bietergemeinschaft).

WIENER AUSLÄNDERGRUNDVERKEHRSGESETZ

Als Ausländer im Sinne dieses Gesetzes gelten:

  1. natürliche Personen, welche die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen;
  2. juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften, die ihren satzungsgemäßen Sitz im Ausland haben;
  3. juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften mit dem satzungsgemäßen Sitz im Inland, an denen Ausländer im Sinne der Z 1 oder 2 überwiegend beteiligt sind;
  4. Vereine mit dem statutengemäßen Sitz im Inland, deren stimmberechtigten Mitglieder überwiegend Ausländer sind oder deren Leitungsorgan sich überwiegend aus Ausländern zusammensetzt.

Die Bestimmungen des Gesetzes finden keine Anwendung auf Rechtsgeschäfte, bei denen Ehegatten als gemeinsame Erwerber auftreten und einer der beiden die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sowie auf den Erwerb von Objekten, an denen Wohnungseigentum begründet werden kann, durch eine Eigentümerpartnerschaft und ein Partner der Eigentümerpartnerschaft die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt.

Personen, welche die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaates der EUROPÄISCHE UNION haben, werden wie Inländer behandelt (die Staatsbürgerschaft ist aber nachzuweisen)

Im Versteigerungsverfahren darf der Zuschlag an einen Ausländer nur erteilt werden, wenn er den Bescheid über die Genehmigung zum Erwerb (§ 4) oder eine Bestätigung darüber vorliegt, dass die behördliche Genehmigung nicht erforderlich ist (§ 5 Abs 4). Zuständig für die Ausstellung des zitierten Bescheids und der zitierten Bestätigung ist die MA 35 - Referat Grunderwerb & EWR: 1200 Wien, Dresdnerstraße 93 (Tel: 4000-DW).

Am Beginn der Versteigerung MUSS daher - zusammengefasst - entweder

  1. die österreichische Staats­bürgerschaft nachgewiesen werden oder
  2. die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaates der EUROPÄISCHE UNION oder
  3. der entsprechende Bescheid bzw die entsprechende Negativbestätigung vorgewiesen werden.

Ein LICHTBILDAUSWEIS muss JEDENFALLS vorgelegt werden.

VADIUM

Das Vadium ist eine Sicherheitsleistung, die der Ersteher vor der Erteilung des Zuschlags ausschließlich in Form eines Sparbuches erlegen muss. Andere Formen als Vadium (Bargeld, Scheck etc) sind nicht zulässig. Über Personen, die ohne Vadium mitbieten, kann eine Geldstrafe bis 10.000 Euro verhängt werden. Es ist möglich, statt eines Namenssparbuchs mehrere (bloße Losungswort-) Sparbücher mit einer Einlage unter 15.000 Euro zu erlegen. Die Höhe des Vadiums beträgt 10% des Schätzwertes und wird mit dem Edikt verlautbart.

ABLAUF DER VERSTEIGERUNG

Nach Aufruf der Sache erteilt der Richter alle nötigen Auskünfte. Das Schätzgutachten und ein aktueller Grundbuchs­auszug liegen zur Einsicht auf. Es werden die Erklärungen betreffend die Lasten auf der Liegenschaft verlesen und erörtert. Weiters wird auf die Vadiumsverpflichtung hingewiesen und über verbotene Abreden (siehe unten) belehrt. Anschließend wird zum Bieten aufgefordert. Es muss zumindest das geringste Gebot, das idR (vorbehaltlich von Änderungen, die im Edikt enthalten sind) der halbe Schätzwert ist, geboten werden. Ob Versteigerungsstufen angeordnet werden, wird im Termin bekannt gegeben. Die Versteigerung wird fortgesetzt, solange höhere Anbote abgeben werden. Wenn ungeachtet einer zweimaligen Aufforderung kein höheres Anbot abgegeben wird, ist die Versteigerung zu schließen. Anschließend wird, sofern das Vadium erlegt und keinem allfällig erhobenen Widerspruch stattgeben wird, der Zuschlag erteilt. Dieser Beschluss wird ausgefertigt und den Parteien des Verfahrens sowie dem Ersteher zugestellt. Der Richter wird bekannt geben, ob noch ein Überbot möglich ist. Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist und einer allfälligen 14-tägigen Überbotsfrist, ist die Erteilung des Zuschlags idR rechtskräftig. Ab Rechtskraft läuft die Erlagsfrist für das Meistbot (siehe unten).

ÜBERBOT

Wenn das Meistbot drei Viertel des Schätzwertes nicht erreicht, kann die Versteigerung durch ein Überbot unwirksam werden. Ein Überbot ist nur zu berücksichtigen, wenn der Überbieter sich bereit erklärt, einen das frühere Meistbot mindestens um ein Viertel übersteigenden Preis zu entrichten. Das Überbot ist innerhalb 14 Tagen nach öffentlicher Bekanntmachung der Zuschlagserteilung beim Exekutionsgericht anzubringen und gleichzeitig anzubieten, dass ein Viertel des Überbotes durch gerichtlichen oder notariellen Erlag von Bargeld oder Sparurkunden binnen sieben Tagen nach gerichtlicher Aufforderung sichergestellt werden wird. Der Ersteher kann das höchsten Überbot dadurch entkräften, dass er innerhalb dreier Tage sein Meistbot auf den Betrag des höchsten Überbots erhöht.

FINDET DIE VERSTEIGERUNG ÜBERHAUPT STATT?

Es kommt immer wieder vor, dass sich die Parteien sprichwörtlich in letzter Sekunde einigen und die Versteigerung entfällt. Sobald das Gericht von einer solchen Einigung erfährt, erlässt es ein entsprechendes Edikt und der Termin entfällt. Es empfiehlt sich, unmittelbar vor dem Versteigerungstermin in die Ediktsdatei zu sehen, ob der Versteigerungstermin noch aufrecht ist.

KOSTEN

Für den Erwerb der Liegenschaft hat der Ersteher das Meistbot binnen zwei Monaten nach rechts­kräftiger Zuschlagserteilung samt 4% Zinsen aus dem Meistbot (gerechnet ab dem Tag der Versteigerung bis zum Einlangen des Meistbots auf dem Konto) zu erlegen. Das entsprechende Bankkonto wird dem Ersteher nach der Versteigerung bekannt gegeben. Vom Meistbot kann das erlegte Vadium abgezogen werden. Bei den Zinsen empfiehlt es sich, die Höhe selbstständig auszurechnen und gerundet zu erlegen. Die exakte Höhe der Zinsen ermittelt das Gericht nach vollständiger Berichtigung des Meistbots. Sollte zu viel an Zinsen erlegt werden, bekommt der Ersteher den Überschuss umgehend zurück. Sollte zu wenig an Zinsen bezahlt worden sein, wird der Ersteher aufgefordert, den entsprechenden Betrag nachzuschießen. Es empfiehlt sich, das Meistbot umgehend zu erlegen, um die Zinsenbelastung gering zu halten.

Wenn der Ersteher mit der Bezahlung des Meistbots säumig ist, kann auf seine Kosten die Wiederversteigerung der Liegenschaft angeordnet werden. Er haften dann für die Differenz bei einem geringeren Meistbot („Ausfall am Meistbot”) in der zweiten Versteigerung und für sämtliche Kosten der Wiederversteigerung.

Neben dem Meistbot fallen noch weitere Kosten an:

  1. Kosten und Gebühren (1,1% Eintragungsgebühr (vom Meistbot) + Eingabengebühr) für die bücherliche Einverleibung des Eigentumsrechts.
  2. Grunderwerbssteuer (für deren Entrichtung sich der Ersteher selbstständig an das Finanzamt wenden muss): 3,5% vom Meistbot
  3. allfällige und vorläufige Kosten der Räumung/Übergabe (siehe unten)

UMSATZSTEUER

Werden Grundstücksgeschäfte im Zuge von Zwangsversteigerungsverfahren abgewickelt, ist eine dabei zu verrechnende Umsatzsteuer vom Leistungsempfänger (also vom Ersteher, wenn er Unternehmer oder eine juristische Person ist) abzuliefern:

  1. Liegenschaftsverkäufe sind grundsätzlich von der USt befreit.
  2. Der Verpflichtete kann aber für die USt optieren. Diesfalls wäre das Meistbot als Brutto-Betrag zu verstehen und die darin enthaltene 20% an USt dem Finanzamt abzuführen, also nur 80% bei Gericht zu erlegen.
  3. Voraussetzung dafür ist aber, dass vom Verpflichteten binnen 14 Tagen ab Bekanntgabe des Schätzwertes dem Exekutionsgericht dies mitgeteilt wird. Wenn eine solche Erklärung vorliegt, wird darauf im Edikt ausdrücklich darauf hingewiesen.

LASTEN

Die Zwangsversteigerung ist vom Grundsatz geprägt, dass der Ersteher grundsätzlich eine lastenfreie Liegenschaft erwirbt. Das heißt, der Ersteher kann beantragen, dass nach Verteilung des Meistbotes sämtliche Pfandrechte gelöscht werden. Dieser Antrag ist am besten mit dem Antrag auf Einverleibung des Eigentumsrechtes zu stellen. In diesem Fall sollte man sich diesbezüglich an einen Anwalt oder Notar wenden. Das vom Ersteher bezahlte Meistbot wird zur Deckung aller Schulden verwendet; Gläubiger, deren Forderungen nicht gedeckt sind, gehen leer aus und haben nicht die Möglichkeit, sich gegen den Ersteher zu richten.

Ein eigenes Kapitel sind Bestandverträge (Pacht oder Miete). Ein Ersteher ist wie ein Käufer grundsätzlich an bestehende Bestandverträge gebunden. Ob ein solcher vorliegt, ergibt sich oft aus dem Schätzgutachten samt Beschreibung bzw aus dem Edikt. In einigen Fällen kommt es aber auch vor, dass ein Mieter im Verfahren zunächst nicht auftaucht, sondern sich erst zu erkennen gibt, nachdem die Liegenschaft bereits verkauft wurde. Es wird vom Exekutionsgericht im Rahmen des Exekutionsverfahren nicht abschließend beurteilt, ob nun dieser Mietvertrag wirksam oder bloß vorgetäuscht ist. Hier unterscheidet sich das Risiko des Erstehers kaum von jenem eines außergerichtlichen Käufers. Wie der Käufer unterliegt auch der Ersteher dem Risiko, dass er in allfälligen Rechtsstreitigkeiten nach Eigentumsübergang die Frage klären lassen muss, ob nun ein wirksamer Bestandvertrag vorliegt oder nicht.

GRUNDBUCHSORDNUNG

Der Ersteher ist nach rechtskräftiger Verteilung des Meistbots verpflichtet, die Herstellung der Grundbuchsordnung zu beantragen. Er muss sich um die Einverleibung seines Eigentumsrechtes und um die Löschung der Lasten kümmern. 

10. Januar 2021 13:21
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